Dem Recyclingprozess wird oftmals vorgeworfen, kompliziert zu sein und zudem nur minderwertige Produkte hervorzubringen. Dass dies mitnichten der Fall sein muss, zeigte nun wieder ein innovatives Start-up-Unternehmen aus Schweden. Dieses stellte das hochwertige Fahrrad ‘RE:CYCLE’ für die höheren Preissegmente her. Aus 300 recycelten Nespresso-Kapseln.
Kreativ, aber gar nicht mal so kompliziert
Das Unternehmen hinter RE:CYCLE heißt Vélosophy (der Firmenname setzt sich aus dem französischen Begriff für Fahrrad, ‘Vélo’, sowie dem englischen ‘Philosophy’ zusammen).
Die junge Firma wurde 2015 in der schwedischen Hauptstadt Stockholm gegründet. Selber ein passionierter Radfahrer, wollte Gründer Jimmy Östholm den Produktionsprozess für Fahrräder um einiges nachhaltiger gestalten. Hierfür suchte Östholm verschiedene Möglichkeiten und Ressourcen, die bei der Produktion des Fahrrads eine nachhaltige Wertschöpfungskette erlauben. Die Lösung kam dem Unternehmer dann 2017. Inspiriert von den zahlreichen Recycling-Kampagnen vom weltweiten Marktführer für Kaffeeautomaten Nespresso, fiel seine Wahl auf die Kaffeekapseln des schweizerischen Herstellers. Östholm fragte nach der Möglichkeit einer Kooperation und die zum schweizerischen Lebensmittelkonzern Néstle gehörende Firma sagte sofort zu. Nespresso stattete Vélosophy mit tausenden von recycelten Kaffeekapseln aus. Genauer gesagt mit dem Aluminium, das sich in den Kapseln befindet.
Quelle: Vélosophy, www.velosophy.cc
Die größte Herausforderung war es hinterher, das leichte Aluminium aus den Kapseln so umzufunktionieren, dass das Material den sicherheitstechnischen Produktionsstandards für Fahrräder genügt. Laut Östholm war der Lösungsprozess allerdings bei weitem nicht so komplex wie möglicherweise viele vermuten würden. “Es brauchte einfach ein wenig Zeit”, so Östholm. Letzten Endes, zwei Jahre später, kann Vélosophy nun das fertige RE:CYCLE präsentieren.
Ein Fahrrad, das alle Sicherheitsstandards erfüllt, äußerst hip und schick im Design ist und mit 1.290 € auch einen stolzen Verkaufspreis aufweist. Kreative Nachhaltigkeit muss eben keineswegs kompliziert oder mit Qualitätsverlusten verbunden sein.
Ein Zeichen gegen Einweg-Kapseln
Mit dem Recycling der Kaffeekapseln und Anwendung an seinen Fahrrädern, hofft Östholm auch ein generelles Signal an die Industrie der Kaffeemaschinenhersteller zu senden. Die Einweg-Kaffeekapseln galten bislang nämlich als äußerst umweltschädlich, gerade weil sie nur einmal anwendbar sind. Käufer warfen die Kapseln nach Verwendung somit einfach in den Müll.
Laut einer Studie aus Großbritannien landen deswegen jährlich weltweit rund 56 Milliarden Kapseln auf Deponien. Auf dieser werden die Kapseln erst nach ca. 150 Jahren biologisch abgebaut. Beides erschreckend hohe Zahlen, die die Branche nicht mehr ignorieren kann. Marktführer Nespresso gilt nun auch in Sachen des Recyclings der Kapseln als Vorreiter der Industrie. Die Zusammenarbeit mit Vélosophy stellt dabei nur das jüngste Beispiel dar. Nespresso hat sich bereits vor Jahren dazu verpflichtet, die eigenen Kapseln nach Nutzung auf eigene Kosten nachhaltig dem Recycling zuzuführen. Hierfür ermuntert der Hersteller seine Kunden dazu, die Kapseln nach Verwendung in eine der weltweit 122.000 Sammelpunkte des Unternehmens abzugeben.
Von dort aus gelangen die Kapseln dann zu einer zertifizierten Recyclinganlage, wo das Aluminium jeweils vom Kaffeesatz getrennt wird. Während das Aluminium nachfolgend also unter anderem zur Herstellung von innovativen Fahrrädern verwendet werden kann, wird der Kaffeesatz kompostiert, als Mutterboden wiederverwendet oder als Biogas energetisch verwertet. Aus Einweg-Kapseln werden so wertvolle Sekundärrohstoffe.
Noch viel Luft nach oben
Trotz aller Fortschritte im Bereich des Kapsel-Recyclings, ist die Recyclingquote immer noch ernüchternd. Selbst bei Nespresso liegt die Recyclingquote trotz aller Bemühungen lediglich bei rund 25 Prozent.
Das heißt aktuell bringt nur jeder vierte Kunde seine Kapseln nach Benutzung wieder zurück zu einer passenden Sammelstelle. Im Vergleich zu anderen Herstellern von Kaffeekapseln ist diese Quote aber immerhin noch ganz ordentlich. Nespressos US-amerikanischer Konkurrent Keurig wurde gerade erst verklagt in den USA wegen dem schädlichen Einfluss, den die Kaffeekapseln des Herstellers auf die Umwelt haben.
Dies zeigt, dass die Branche in ihrer Bemühung für ein effektiveres Recycling der Kapseln insgesamt noch viel Luft nach oben hat. Nespresso selber heuert neuerdings Stars und Influencer auf sozialen Medien an, um auf das Recycling der Kapseln aufmerksam zu machen. Dazu unterstützt das Unternehmen eben auch innovative Recycling-Projekte wie RE:CYCLE. “Wir wurden durch unsere Zusammenarbeit mit Vélosophy inspiriert und ich hoffe, dass das RE:CYCLE-Fahrrad die Menschen zum Recycling inspiriert”, so Nespressos Vorstandsvorsitzender Jean-Marc Duvoisin.
Wertvolles Upcycling: Profitabel und wohltätig
Interessanterweise stellt RE:CYCLE dabei gar nicht mal das erste Recycling-Fahrrad dar, dessen Entwicklung Nespresso tatkräftig unterstützt hat. Bereits im Jahre 2017 kooperierte das Unternehmen mit dem tschechischen Fahrradhersteller Festka. Auch dieser nutzte die Nespresso-Kapseln, um ein Fahrrad zu produzieren. Benötigt wurden hierbei genau 995 Kapseln.
Anders als das RE:CYCLE war das “Festka Nespresso” allerdings nicht für kommerzielle Zwecke gemacht. Stattdessen wurde das einzigartige Fahrrad für knapp 6.000 Euro auf einer Auktion verkauft und der Erlös hinterher an eine tschechische Wohltätigkeitsorganisation gespendet, die sich um verlassene und benachteiligte Kinder kümmert.
Quelle: Festka, www.festka.com
Abseits von Fahrrädern, verwendete darüber hinaus etwa auch der ebenfalls tschechische Messerhersteller Mikov das Aluminium aus den Nespresso-Kapseln für die Produktion einer limitierten Serie von Taschenmessern. 35 Nespresso-Kapseln pro Messer benötigte Mikov hierfür.
Quelle: Nespresso, www.nespresso.com/cz/cs/recyklace-kapsli
Ob Fahrräder, Messer oder sonstiges, die Zusammenarbeit von Nespresso mit verschiedensten Herstellern zeigt das nicht zu unterschätzende Recycling-Potential, das in den kleinen Kaffeekapseln steckt. Durch das „Upcyceln“ der Kapseln lassen sich ganz neue, innovative und hochwertige Produkte erstellen und der Umwelt wird die Endlagerung auf der Deponie erspart. Zudem unterstützen solche recycelten Produkte oftmals eben auch einen guten Zweck. Kleine Kapseln mit einer großen Wirkung also.